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Zurück zu den Wurzeln – Antiseptika vs. Antibiotika

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Von gerade einmal einem Prozent innerhalb von zwei Jahren auf 20 Prozent - Die Zunahme resistenter Erreger macht auch vor Wundantibiotika keinen Halt. Umso wichtiger ist die Suche nach Alternativen, die ohne antibiotische Wirkstoffe effektiv und verträglich sind. Auf diesem Weg wurden Antiseptika wiederentdeckt. Als weiterentwickelte Wirkstoffe revolutionieren sie die Wundbehandlung heute erneut.

Das Gebiet der Wundantiseptik hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Durch die Verfügbarkeit verbesserter antiseptischer Wirkstoffe und die zunehmende Problematik multiresistenter Keime war es notwendig, die Expertenempfehlung zur Auswahl antiseptischer Wirkstoffe aus dem Jahr 2004 zu überarbeiten. Im Fokus des 2018 veröffentlichten Updates stand die Neubewertung antiseptischer Wirkstoffe bei akuten und chronischen Wunden.1,2 Dabei schnitt in den neuen Handlungsempfehlungen der antiseptische Wirkstoff Polihexanid (PHMB) besonders gut ab, der durch seine hohe Verträglichkeit, selektive Wirkung und wundheilungsfördernden Eigenschaften als Mittel der Wahl bei verschiedenen Indikationen überzeugen konnte.1,2

Antiseptika auf dem Vormarsch1,2

Wundantiseptik war jahrelang von geringer Bedeutung und rückte insbesondere nach der Entwicklung von Antibiotika in den Hintergrund. Nun gewinnt die nicht antibiotische Wundantiseptik wieder einen hohen Stellenwert. Mittlerweile sind neue, wenig toxische, antiseptische Wirkstoffe verfügbar, die diese Form der Therapie deutlich verträglicher machen als sie noch vor einiger Zeit war. Auch gibt es neue Erkenntnisse darüber, dass Antibiotika nicht mehr zur Anwendung jeder Wunde geeignet sind. Der Umgang mit diesen hat in den letzten Jahren einen deutlichen Wandel durchgemacht. Die zunehmende Entwicklung multiresistenter Erreger, die durch klassische Antibiotika nicht mehr eingedämmt werden können, macht der Wundbehandlung zu schaffen. 

Allein das Beispiel des Antibiotikums Mupirocin zeigt, dass Multiresistenzen auch in Deutschland keine Seltenheit sind und untermauert, dass diese dringend vermieden werden müssen. Der Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Mupirocin-haltiger Wundsalben führte zwischen 2015 und 2017 zu einer Steigerung der Zahl resistenter Erreger von rund einem Prozent auf nahezu 20 Prozent.2 Einer alarmierenden Zahl, denn Antibiotika sind das einzige Mittel zur Bekämpfung bakterieller Infektionen, das systemisch verabreicht werden kann. Ist die Sensitivität der Erreger vor Antibiotika nicht mehr gegeben, können schwerwiegende systemische Infektionen in wenigen Jahren möglicherweise nicht mehr behandelt werden. 

Ein wichtiger Schritt in Richtung Resistenzvermeidung ist der vermehrte, sinnvolle Einsatz von Wundantiseptika. Diese rufen in den meisten Fällen, abhängig vom Wirkmechanismus, keine Resistenzbildung bei den zu bekämpfenden Bakterien hervor. Und es gibt weitere Vorteile, die den Schritt zurück zu den Wurzeln der Wundbehandlung begründen.

Einer davon ist die mikrobiozide Wirkung der Antiseptika. Antibiotika wirken im Gegensatz dazu häufig nur mikrobiostatisch. Die Infektionserreger werden somit durch Antibiotika nur eingedämmt, wohingegen sie über Wundantiseptika gänzlich eliminiert werden können. Auch die an der Wundoberfläche nötigen Konzentrationen der antimikrobiellen Wirkstoffe sind durch Antibiotika nur schwer zu erreichen. Wundantiseptika können gezielt und in der notwendigen Konzentration aufgetragen werden. 

Nicht nur aufgrund der Gefahr einer Resistenzbildung, sondern auch wegen ihrer mikrobiostatischen Wirkung und nicht kontrollierbaren Konzentration am Wirkort, lautet der Expertenkonsens zur topischen Anwendung von Antibiotika daher ganz klar: Die Anwendung antibiotischer Lösungen und Salben ist bei lokal begrenzten Wundinfektionen und –kolonisationen abzulehnen. 

Indikationen und Grundsätze für den Einsatz antiseptischer Mittel1,2

Im Fokus der Wundantiseptik steht die Prävention oder Therapie von Wundinfektionen. Zeitgleich wird von modernen Wundantiseptika aber erwartet, dass diese die Wundheilung zusätzlich unterstützen. Je nach Zustand und Infektionsstatus der Wunde sind unterschiedliche Behandlungen indiziert. Ist die Wunde nur kolonisiert erfordert sie beispielsweise eine weniger drastische antimikrobielle Behandlung, als eine infizierte Wunde.

Bezeichnend für den Übergang von physiologischer Wundkolonisation und pathologischer Wundinfektion ist der Begriff der kritischen Kolonisation. Um den Wundstatus und das davon ausgehende Infektionsrisiko kritisch kolonisierter Wunden besser einschätzen zu können, wurde der W.A.R. Score  (Wound-at-risk-score) entwickelt, mit dem die Wunde in ein Punktesystem eingeordnet wird. Werden über 3 Punkte ermittelt ist dies ein Indikator für präventive Antiseptik. 

Die Antiseptik ist dabei für kritisch kolonisierte Wunden verschiedener Arten anwendbar. Sowohl akute Wunden wie Stich- oder Bisswunden, als auch kritisch kolonisierte und sogar infizierte chronische Wunden können durch Antiseptika in der Heilung unterstützt werden. Bei chronischen Wunden, wie sie beispielsweise beim diabetischen Fußsyndrom entstehen, ist die Entfernung der Mikroorganismen eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Abheilung. Bei Wunden, die mit resistenten Erregern wie MRE oder MRSA kolonisiert sind, helfen Antiseptika zusätzlich die Ausbreitung auf andere Patienten zu verhindern. 

Vor der Anwendung von Antiseptika sind einige Grundsätze zu beachten: Zu Beginn sollte eine sorgfältige patientenspezifische Anamnese erfolgen, um die nachfolgende Versorgung auf die Wunde abzustimmen. Zusätzlich muss eine adäquate Wundreinigung durchgeführt werden, da Antiseptika ansonsten unwirksam sind. Die antimikrobielle Behandlung muss außerdem, je nach Zustand der Wunde und systemischer Beteiligung, abgewogen werden. Ob die topische Anwendung von Antiseptika ausreicht oder eine zusätzliche Therapie mit Antibiotika notwendig ist, muss für jeden Patienten individuell entschieden werden.

Antiseptika – Anforderungen an die wiederentdeckten Wirkstoffe1,2,3

Wichtig bei der Wahl des antimikrobiellen Mittels ist die Anpassung der Therapie an die Wundheilungsphase und die Art der Wunde. Ist trotz einer antimikrobiellen Versorgung keine Veränderung der Wundsituation sichtbar, sollte die Behandlung überdacht und auf die Wundverhältnisse abgestimmt optimiert werden. Damit Antiseptika gefahrlos eingesetzt werden können, gibt es bestimmte Anforderungen, denen diese gerecht werden müssen:

 

1. Das Antiseptikum muss wirksam sein:

  • Hohe Keimabtötung in bestimmter Zeit
  • Schneller Wirkungseintritt bei akuten Wunden
  • Längere Einwirkzeit zum Erreichen der antiseptischen Wirkung bei chronischen Wunden ist akzeptabel
  • Kein Risiko für eine Resistenzentwicklung

 

2. Das Antiseptikum muss verträglich sein: 

  • Faustregel: Gib nichts in die chronische Wunde, was nicht in analoger Konzentration im Auge toleriert wird (Daher wurde PHMB auf Grund guter Verträglichkeit auch zur präoperativen Antiseptik am Auge eingeführt) 
  • Geringe oder fehlende Möglichkeit der Sensibilisierung
  • Kein Risiko von Langzeitnebenwirkungen (Mutagenität, Teratogenität, Karzinogenität)

 

3. Im Optimalfall: Das Antiseptikum fördert zusätzlich die Wundheilung

 

Mittlerweile gibt es verschiedene Wirkstoffe, die die Anforderungen erfüllen. Darunter fallen Octenidin (OCT), PHMB, Silberionen (Ag+), Povidon-Iod (PVP-I) oder Hypochlorit. Trotzdem ist die Anwendung dieser Antiseptika nicht gleichermaßen für alle Wunden indiziert. Je nach Wunde müssen Vor- bzw. Nachteile neu abgewogen werden.

Indikationsabhängige Empfehlungen zur Wirkstoffauswahl

Aufgrund der Wirksamkeit und Verträglichkeit in präklinischen und klinischen Studien, ist in aktuellen Empfehlungen PHMB für kritisch kolonisierte und infizierte chronische Wunden das Mittel der ersten Wahl.1,2,3 Die Empfehlung beruht auf der Einstufung von PHMB als antiseptisch effektiv, einschließlich Wirksamkeit gegen MRSA und VRE.1,2,3 Im Vergleich zu anderen Antiseptika zeichnet PHMB aus, dass dieses auch gegen intrazelluläre Mikroorganismen und Biofilme effektiv ist.1,2,3 Das Antiseptikum ist dabei besonders selektiv und interagiert mit negativ geladenen Bestandteilen der Bakterienmembran, die in der humanen Zellwand nicht vorhanden sind. Daher zeigt es einen günstigen Biokompatibilitätsindex und eine sehr gute Verträglichkeit.3 Der positive Einfluss auf die Wundheilung kommt unter anderem durch die Erhöhung der Kapillardichte über PHMB zustande, wodurch das Gewebe um die Wunde besser durchblutet werden kann.3 Eine bessere Durchblutung resultiert bei chronischen Wunden in einer erhöhten Heilungsfähigkeit. OCT und PHMB haben zudem eine Langzeitwirkung.1,2,3

Auch silberhaltige Wundauflagen können zur Behandlung kritisch kolonisierter oder infizierter chronischer Wunden eingesetzt werden und werden als besonders tiefenwirksam eingestuft. Dabei beträgt der empfohlene Zeitraum jedoch maximal 14 Tage.1,2 Beim Einsatz zur Wundabdeckung kann es zu einer Freisetzung und zur Resorption kommen, die jedoch als unbedenklich eingeschätzt wird.1,2 

Die Wundart und ihr Heilungsstatus beeinflussen die Wahl des Antiseptikums stark. Während PHMB neben den oben genannten Wunden auch für Verbrennungswunden die erste Wahl ist, sollten Biss-, Stich- und Schusswunden mit PVP-I in Kombination mit Alkohol behandelt werden.1,2,3 Zur Behandlung kontaminierter akuter Wunden sind Hypochlorit und PHMB Mittel der Wahl.1,2,3

Fazit

Die Wundantiseptik hat aufgrund der Verfügbarkeit verbesserter Wirkstoffe und der zunehmenden Resistenzbildung gegenüber Antibiotika stark an Bedeutung gewonnen. Diese reicht so weit, dass nach dem aktuellen Konsensus der Einsatz von Antibiotika als Alternative zur topischen Infektionsbehandlung strikt abgelehnt wird. Stattdessen gelten Antiseptika bei infizierten und kritisch kolonisierten Wunden mittlerweile aufgrund einer Vielzahl an Vorteilen als unverzichtbar. Aus vielen gut verträglichen antiseptischen Wirkstoffen muss dabei je nach Wunde die optimale Möglichkeit ausgewählt werden. Auf Basis der aktuellen Studienlage ist PHMB zur Behandlung kritisch kolonisierter und infizierter chronischer Wunden das Mittel der ersten Wahl. PHMB-haltige Wundauflagen wie Suprasorb P + PHMB sind in der Lage die Wundheilung zu unterstützen und gleichzeitig besonders verträglich. Ob die Wundantiseptik ausreicht, oder zusätzlich eine Antibiotikagabe erforderlich ist, hängt jedoch von der systemischen Ausbreitung der Infektion ab. 

 

Referenzen

[1] Kramer A. et al. Consensus on Wound Antisepsis: Update 2018. Skin Pharmacol Physiol 2018; 31: 28-58.

[2] Kramer A. et al. Aktualisierung des Expertenkonsensus Wundantiseptik 2018. WUNDmanagement 2018; 12.

[3] Kramer A. Erwiderung zum Beitrag „Polihexanid – Rechstaspekte einer Risikoeinschätzung“ von Volker Großkopf und Michael Schanz. WUNDmanagement 2016; 10(6):328-329.

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