Knöchel-Arm-Index als Richtwert – die meisten Patienten profitieren von der Kompression
Die Kompressionstherapie ist die grundlegende Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer chronisch venösen Insuffizienz oder einem Ulcus cruris.
Dabei kann eine Behandlung sowohl akut als auch präventiv wirksam sein. Doch wo sind die Grenzen der Kompressionstherapie? Ob Wundexpert:in oder Ärzt:in – alle profitieren von einer schnellen und einheitlichen Einschätzung zur Anwendbarkeit von Kompressionslösungen.
Ein Beispiel ist die periphere arterielle Verschlusskrankheit, kurz pAVK. Diese kann noch vor dem Auftreten von sichtbaren Symptomen auf kardiovaskuläre Erkrankungen hinweisen und gilt in schweren Fällen als Kontraindikation zur Kompression 1.
Um besser einschätzen zu können, ob eine Kompressionstherapie angewendet werden kann, gilt der Knöchel-Arm-Index (ABI) als Indikator.
Eine kurze Rechnung, ein hilfreiches Ergebnis
Der ABI ist ein Wert, welcher durch Doppler-Sonographie und Blutdruckmessung bestimmt werden kann.
Die Messung wird jeweils an beiden Extremitäten durchgeführt und der ABI-Wert wird im Folgenden für das linke und das rechte Bein errechnet. Wichtig ist hierbei die Messung in Ruhe. Achten Sie darauf, dass Ihre Patient:innen sich fünf bis zehn Minuten vor der Messung auf der Liege befinden.
Ebenfalls zu beachten: Gerechnet wird lediglich mit den systolischen Werten, der diastolische Blutdruck ist zur Berechnung des ABI nicht von Bedeutung.
Zur Bestimmung des ABI-Wertes wird zunächst der Blutdruck am Arm sowie der Blutdruck am Unterschenkel bestimmt.
Die Messung am linken und rechten Arm erfolgt an der Arteria brachialis, zur Berechnung wird der Mittelwert genutzt. An jedem Unterschenkel wird sowohl an der Arteria tibialis anterior wie auch Arteria tibialis posterior gemessen. Sollten sich die beiden Werte unterscheiden, wird stets der höhere systolische Wert notiert.
Der Knöchel-Arm-Index ist der Quotient aus dem Blutdruck am Unterschenkel und dem Blutdruck am Arm.
Hier ein Beispiel: Sie messen die folgenden Blutdruckwerte in mmHg:
Beachten Sie hier die unterschiedlichen Messwerte am rechten Unterschenkel. Es wird im weiteren Verlauf der höhere systolische Wert – also der Wert von 105 mmHg gemessen an der Arteria tibialis anterior – verwendet.
Sie errechnen außerdem den Durchschnitt der beiden systolischen Blutdruckwerte am Arm. In diesem Fall ist das:
Mit diesem Durchschnittswert wird nun der ABI-Wert für jede Körperhälfte einzeln errechnet. So ergeben sich die Quotienten:
Einordnung auf einen Blick
Das Ergebnis dieser einfachen Rechnung gibt schnell Aufschluss. Es gilt:
ABI Wert | Interpretation |
> 1.3 | Mediaskleroseverdacht |
> 0.9 | Normalwert |
0.75 – 0.9 | Leichte pAVK |
0.5 – 0.75 | Mittelschwere pAVK |
< 0.5 | Schwere pAVK |
Wert richtig interpretieren, Therapie entsprechend anpassen
Bei Menschen mit gesunden Gefäßen ist der ABI-Wert stets größer als 0,9. Bereits bei einem Wert zwischen 0,75 und 0,9 spricht man von einem Hinweis auf das Vorliegen einer relevanten pAVK.
In der AWMF-Leitlinie zur Kompressionstherapie gilt eine fortgeschrittene arterielle Verschlusskrankheit als Kontraindikation für eine Kompressionstherapie, wenn eines der Kriterien erfüllt ist: 2
- ABI kleiner 0,5
- Knöchelarteriendruck kleiner 60 mmHg
- Zehendruck kleiner 30 mmHg
- transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung am Fußrücken kleiner 20mm Hg
Doch es gibt Spielraum in den Behandlungsmöglichkeiten.
Nach der Leitlinie kann eine Kompressionstherapie auch bei Patientinnen und Patienten mit einem Knöchelarteriendruck zwischen 50 mmHg und 60 mmHg mit unelastischen Materialien vorgenommen werden. Dies basiert auf einer Untersuchung von Mosti et al. Aus dem Jahr 2012 3.
Hier wird gezeigt, dass das Laserfluxsignal an den Zehen erst ab einer Kompressionsbandagierung mit einem Druck von über 40 mmHg, signifikant abnimmt.
Bei einem Knöchel-Arm-Index zwischen 0,5 und 0,8 bei Patienten mit einem Ulcus cruris oder einem Stauungsödem kann eine Kurzzugkompression also durchaus eine Therapieoption sein. Neben dem entsprechenden ABI-Wert muss auch ein Knöchelarteriendruck von über 60 mmHg gewährleistet sein 4.
Nur bei einer schweren pAVK mit einem ABI von unter 0,5 liegt eine absolute Kontradiktion vor. Hier muss eine Kompressionstherapie unterbleiben.
Für eine einfache Orientierung durch alle Zwischenschritte bietet L&R eine praktische ABI-Scheibe. Dort finden Sie alles Wichtige zur Berechnung in einer Grafik. Die ABI-Scheibe können Sie einfach und kostenlos per E-Mail an: die.wundzentrale@de.lrmed.com anfragen.
Mit der Wundzentrale behalten Sie stets den Durchblick.
Quellen
- Deutsches Ärzteblatt Knöchel-Arm-Index: Ein wegweisender Risikomarker für die hausärztliche Praxis 2005, 102. Seite 34-35. (Stand: 21.10.2022) https://www.aerzteblatt.de/archiv/48115/Knoechel-Arm-Index-Ein-wegweisender-Risikomarker-fuer-die-hausaerztliche-Praxis
- Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK), AWMF Registernummer: 037/005 (Stand 28.10.2022) https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037-005l_S3k_Medizinische-Kompressionstherapie-MKS-PKV_2019-05.pdf
- Mosti G et al. Compression therapy in mixed ulcers increases venous output and arterial perfusion J Vasc Surg 2012; 55: Seite 122-128. DOI: 10.1016/j.jvs.2011.07.071
- Stücker M. et al. Kompression und periphere arterielle Verschlusskrankheit https://www.der-niedergelassene-arzt.de/medizin/kategorie/gefaessmedizin-1/kompression-und-periphere-arterielle-verschlusskrankheit Stand: 31.10.2022