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Zeichen richtig deuten – Die chronische Wunde als Symptom

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Ob Ulcus cruris venosum oder diabetischesFußulcus – bei der Behandlung chronischer Wunden ist die volle Aufmerksamkeit des medizinischen Personals gefragt. Besonders wichtig ist, die Ursache der Wunde nicht aus den Augen zu verlieren, denn die Therapie der vorliegenden Grunderkrankung stellt eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Wundheilung dar. Daher müssen der Gesundheitszustand und die Lebensweise des Patienten in die Behandlung mit einbezogen werden.

Sind nach 4-12 Wochen konsequenter Wundbehandlung keine Heilungstendenzen zu erkennen, spricht man von einer chronischen Wunde. Die Ursache der chronischen Wunde ist oft eine entsprechende Grunderkrankung. Für die Patienten bedeutet dies meist ständige Schmerzen und erhebliche Bewegungseinschränkungen, sodass eine umfassende, ganzheitliche Behandlung dringend von Nöten ist. Um die Heilung zu fördern, muss zunächst die Wunde adäquat versorgt werden. Eine wichtige Voraussetzung für die weitere Wundversorgung ist das effektive und für den Patienten möglichst schmerzarme Debridement sowie die anschließende Versorgung mit einer der Wundsituation entsprechenden Wundabdeckung (Exsudatmanagement). Doch das Augenmerk sollte sich auch auf den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten richten.1,2 Eine chronische Wunde stellt in jedem Fall ein Symptom für ein zugrundeliegendes Krankheitsgeschehen dar – bleibt dieses unbehandelt, bleibt auch der Wundheilungsprozess beeinträchtigt.

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Häufigster Auslöser des Ulcus cruris venosum (UCV) ist eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), die durch eine adäquate Kompressionstherapie mit speziellen Verbänden oder Strümpfen behandelt werden kann.3 Doch auch arterielle Erkrankungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Diabetes mellitus können mögliche Ursachen für chronische Wunden sein. Fast jeder vierte Diabetiker entwickelt einen Ulcus.4 Zur besonderen Herausforderung wird die Therapie, wenn nicht nur eine, sondern mehrere Grunderkrankungen die Heilung beeinträchtigen. 


Grunderkrankungen bei Ulcus cruris venosum

Chronische Wunden entstehen nicht über Nacht. Grundsätzlich steht dieser Prozess immer im Zusammenhang mit der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gewebes und dem Abbau und Abtransport von Schadstoffen am Wundort. Diese Funktionen können durch unterschiedliche Grunderkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus oder eine CVI beeinträchtigt sein.

Im Falle einer CVI bilden sich durch den pathologisch erhöhten Druck in den Venen Aussackungen und die Klappenfunktion der Venen wird beeinträchtigt, sodass das Blut nur noch eingeschränkt aus den Extremitäten zum Herzen hin abtransportiert wird. Die dadurch verursachte Erhöhung des venösen Drucks führt auf lange Sicht zu Veränderungen der Kapillarwände. In den Stadien vor der Entstehung eines UCV sind diese Veränderungen sichtbar als retikuläre Venen und Teleangiektasien oder als Varikosen und Ödeme.5 Etwa 70 Prozent aller Ulcus-cruris-Wunden entstehen infolge der CVI.6

Bei der pAVK ist wegen der vorliegenden atherosklerotischen Einengung der Gefäße die Versorgung der Extremitäten mit nährstoff- und sauerstoffreichem Blut gestört. Die gestörte Versorgung beeinträchtigt das Abheilen von Wunden und kann im schlimmsten Fall zu Gewebsnekrosen führen. Etwa 10 Prozent aller Ulcera entstehen aufgrund dieser arteriellen Erkrankung.6 

Um eine chronische Wunde adäquat zu behandeln, reicht eine spezifische Wundbehandlung aus Debridement und Wundabdeckung nicht aus. Besonders wichtig ist es, dass auch bestehende Grunderkrankungen therapiert werden, damit die chronische Wunde abheilen kann. Die konkreten Maßnahmen richten sich entsprechend nach der Erkrankung: Während bei CVI eine Kompressionstherapie helfen kann, ist bei arteriellen Beschwerden oft eine medikamentöse Einstellung erforderlich.


Diabetes mellitus – nicht das einzige Problem bei diabetischem Fußsyndrom

Beim diabetischen Fußsyndrom (DFS) spielt eine umfassende Diagnostik ebenfalls eine wichtige Rolle. Obwohl die hier zugrundeliegende Erkrankung Diabetes mellitus ist, reicht die reine Blutzuckerregulation bei vielen Patienten nicht aus, um chronische Wunden zu behandeln oder zu vermeiden. Ein permanent erhöhter Blutzuckerspiegel kann auf lange Sicht das Endothel der Gefäße schädigen und die Bildung von Plaques fördern, was bei etwa 50 bis 70 Prozent der Diabetiker zur Ausbildung einer pAVK führt. In solchen Fällen muss die pAVK zusätzlich zum Diabetes mellitus therapiert werden.4 

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Die dauerhafte Schädigung der Gefäße gehört zu den häufigen Komorbiditäten bei Diabetikern. Dadurch leidet die Blutversorgung der Extremitäten, was auch die Versorgung der Nerven beeinträchtigen und zur Entstehung von Polyneuropathien führen kann. Dabei verringert sich die Empfindlichkeit gegenüber Hitze, Kälte, Druck oder Schmerzen. Die Patienten merken häufig nicht, wie sich Druckstellen oder Risse in der Haut bilden, die sich dann mit der Zeit zu chronischen Wunden entwickeln können. In manchen Fällen kann es dadurch zum so genannten „Leibesinselschwund“ kommen, bei dem der Patient seinen Fuß nur noch als Umgebungsfaktor und nicht mehr als zum eigenen Körper zugehörig empfindet. Eine Verschlechterung des Fußzustandes wird dann oft erst sehr spät oder gar nicht dem Arzt gemeldet.

Zusätzlich zur lokalen Wundtherapie und der Druckentlastung im Wundbereich ist die Einstellung des Diabetes mellitus durch adäquate Insulintherapie und eine gesunde Lebensweise essenziell, um zum Beispiel Übergewicht als Ursache für Fehlbelastungen zu vermeiden, auch ist die Behandlung der Komorbiditäten Grundlage für eine erfolgreiche Wundheilung. Eine tägliche Inspektion der Füße und eine patientenspezifische Fußpflege sollte ebenfalls Bestandteil der Therapie sein.


Interdisziplinäre Behandlung aller gesundheitlichen Probleme

Häufig ist ein Bündel von Komorbiditäten gleichzeitig an der Entstehung einer chronischen Wunde beteiligt, so dass die Betrachtung des gesamten Gesundheitszustands und der Lebensumstände des Patienten unerlässlich ist. Viele verschiedene Erkrankungen erfordern die Einbindung von Spezialisten und Fachärzten. Ein kompetentes interdisziplinäres Netzwerk aus Ärzten, Wundexperten und Pflegepersonal, die im Umgang mit Diabetes mellitus, CVI und pAVK, aber auch mit anderen Kreislauferkrankungen erfahren sind, sollte daher in die komplette Behandlung einbezogen werden. Speziell für diese Fälle ausgebildete Wundambulanzen und Pflegezentren können dazu beitragen, die Behandlung von chronischen Wunden unterschiedlicher Pathogenese effizienter zu gestalten. 

Neben den körperlichen Einschränkungen bringen Wundpatienten jedoch oft psychische Probleme mit. Daher kann in bestimmten Fällen auch eine professionelle psychosoziale Unterstützung von Nöten sein, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.2



Referenzen

[1] Lobmann, R. (2011). Die chronische Wunde. Grundlagen der Behandlung. Der Allgemeinarzt 33(15): 42-45. 

[2] AWMF Leitlinie „Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz“ 

[3] Kröger, K. (2015). Therapie des Ulcus cruris venosum. CME 12(11): 32. 

[4] Diener, H. et al. (2017). Versorgungssituation gefäßmedizinischer Wunden in Deutschland. Gefässchirurgie, 22(8), 548–557.

[5] Kistner, RL. et al (1996). Diagnosis of chronic venous disease of the lower extremities: the "CEAP" classification. Mayo Clinic Proceedings, 71: 338-345.

[6] orthinform.de/lexikon/offenes-bein-ulcus-cruris.

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