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Kompression – unverzichtbar bei Ulcus cruris venosum

Kompression

Offene Wunden über Wochen und Monate, die nicht abheilen – oft ist dies auf eine mangelnde Kompressionstherapie zurück zu führen. Denn in der Behandlung chronischer Wunden, wie einem Ulcus cruris venosum (UCV), sollte nicht nur das adäquate Debridement und die Auswahl der geeigneten Wundauflage elementarer Bestandteil sein, sondern auch eine konsequente Kompressionstherapie.

Denn diese bildet die Grundlage des Heilungserfolges bei venösen Beinleiden, wie einem UCV. Die Kompressionstherapie sollte immer Bestandteil der Behandlung sein, um die Grunderkrankung langfristig erfolgreich zu therapieren.

Laut Professor Joachim Dissemond vom Universitätsklinikum Essen ist die Versorgungsrealität in Deutschland allerdings unbefriedigend. [1] Obwohl verbesserte Heilungschancen und ein geringeres Rezidivrisiko bei einer Behandlung mit Kompression durch Studien belegt sind, wird dieses Vorgehen nicht ausreichend angewendet. [1,2] Auch die spezifische Auswertung zur Therapie chronischer Wunden, mit dem Schwerpunkt Ulcus cruris, im Barmer GEK Heil- und Hilfsmittelreport 2014 zeigt, dass nur ungefähr 40% der Erkrankten eine Kompressionstherapie erhalten. [3]

Die Kompression dient der Therapie verschiedener Indikationen, dazu gehören zum Beispiel Beinvenenthrombosen, Lymphödeme oder auch die chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), welche unbehandelt zu Wundgeschwüren führen kann. Vor einer Behandlung muss jedoch beachtet werden, dass die Therapie mit Kompressionssystemen bei folgenden Vorerkrankungen absolut kontraindiziert ist:

  • Fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz [4,6]

 

Wirkmechanismus – Druck zur Wundheilung

Die Wirkweise von Kompressionsmaterialien beruht auf der Verengung des Venendurchmessers, die durch den applizierten Druck von 15 mmHG im Liegen bis zu 90 mmHg bei Bewegung herbeigeführt wird. [4] Durch die schmaleren Venendurchgänge wird die Fließgeschwindigkeit des Blutes erhöht. Dadurch können eine verbesserte Sauerstoffversorgung des umliegenden Gewebes und eine Verringerung von Gewebsödemen erreicht werden. Dies trägt zur Unterstützung der Wundheilung bei und reduziert Schmerzen, wodurch das Allgemeinbefinden der betroffenen Patienten erheblich verbessert wird. Die dauerhafte Kompressionstherapie dient ebenso der Rezidivprophylaxe und beugt z.B. einer neuen Wundbildung bei UCV vor.

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Abbildung 1: Wirkung der Kompression auf das Venensystem. Links ohne Kompressionstherapie, rechts: Verengung des Venendurchmessers durch Kompressionsmaterial.

 

Produkte zur Kompressionstherapie – individuelle Anpassung an Ödemstatus und Patientenbedürfnisse

Zur Behandlung kommen unterschiedliche Kompressionsprodukte in Frage, die von außen Druck auf das venöse System ausüben. Dabei steht bei allen Patienten ein wichtiges Ziel im Vordergrund: die Reduktion des venösen Innendrucks und der Volumenüberlastung der Venen zur Verbesserung des Befindens und beim UCV, der erfolgreichen Abheilung der Wunde. [3,4] Um Schmerzen und Druckschäden an Nerven und Knochen zu vermeiden, sollte das Bandagieren vorsichtig und nicht zu fest erfolgen. Zudem kann durch eine optimal angepasste Unterpolsterung gezielt vorgebeugt werden. [5]

Die zur Kompression eingesetzten Therapiesysteme werden in Verbandsysteme, die im deutschsprachigen Raum noch wenig eingesetzten adaptiven Kompressionsbandagen und Strümpfe unterteilt, wodurch eine perfekte Anpassung an die jeweilige Patientensituation möglich ist.

 

Verbandsysteme

  • Kurzzugbinden
  • Langzugbinden
  • Mehrkomponentensysteme

 

Adaptive Kompressionsbandagen

 

Strumpfsysteme

  • Ulcus-Strumpfsystem
  • Medizinischer Kompressionsstrumpf

 

Verbandsysteme

Zu den wichtigsten Therapiesystemen gehören Kurzzugbinden, also Bandagen mit geringer Dehnbarkeit, die aus Baumwolle gefertigt sind. Charakteristisch für Kurzzugbinden ist der hohe Arbeits- und der niedrige Ruhedruck, was für den Patienten vor allem über Nacht angenehmer ist. Langzugbinden, die sich durch eine hohe Dehnbarkeit auszeichnen, leisten im Gegensatz dazu niedrigeren Arbeits- und hohen Ruhedruck, das heißt, dass sie bei Bewegung leichter nachgeben. Arbeits- und Ruhedruck müssen je nach Mobilität des Patienten und nach Krankheitsstatus angepasst werden. Kurzzugbinden sind durch den hohen Arbeitsdruck beispielsweise nur für mobile Patienten geeignet. Ebenfalls erhältlich sind Mehrkomponentensysteme, die aus zwei bis vier Teilen bestehen und Polster-, Kompressions- und Fixierbandagen enthalten. Sie verbleiben besser in ihrer Position als einfache Verbandsysteme, sind aber nur für den einmaligen Gebrauch gedacht.

 

Adaptive Kompressionsbandagen

Eine Alternative bieten die unelastischen adaptiven Kompressionsbandagen. Diese erlauben eine patientengenaue Anpassung des Drucks durch ein System aus mehreren Klettverschlüssen und können ggf. vom Patienten selbst angelegt werden. [4]

 

Strumpfsysteme 

Neben den bisher genannten Produkten zur Kompressionstherapie gibt es Ulcus-Strumpfsysteme, die aus den zwei Komponenten Unterstrumpf sowie Überstrumpf bestehen und insbesondere beim UCV nach der Entstauung zum Einsatz kommen. Der Unterstrumpf fixiert den Wundverband, schützt die empfindliche Haut und kann auch nachts getragen werden. Tagsüber wird der therapeutisch notwendige Druck durch die Kombination mit dem Überstrumpf erzielt. Von Vorteil ist das einfache Anlegen des Strumpfsystems, was den Alltag des Patienten erleichtert.

Mit dem Einsatz eines Ulcus-Strumpfsystems wird die Behandlung für den Patienten deutlich vereinfacht. Die Kompressionstherapie ist unerlässlich bei Patienten mit UCV, verbessert die Heilungschancen und im Besonderen das Wohlbefinden der Patienten. [1,4]

Die Krankheitserscheinungen von UCV werden in Entstauungs- und Erhaltungsphase eingeteilt. Zur Behandlung der Entstauungsphase, also bei ödematisierten Beinen, werden bevorzugt Kurzzug-Kompressionsbinden und Mehrkomponentensysteme eingesetzt. In der Erhaltungsphase, nach der Entstauung der Beine, bieten Strumpfsysteme die beste Unterstützung. Diese gewährleisten im Gegensatz zu den Verbandsystemen einen konstanten Druck. [4,7]

Nach der Abheilung der Wunden ist die Anwendung von einteiligen Kompressionsstrümpfen, anstelle der Strumpfsysteme oft sinnvoll. Diese können beispielsweise durch unterschiedliche Längen optimal an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden.

In Deutschland werden Kompressionsstrümpfe in vier verschiedene Klassen gegliedert, die sich nach Intensität des Druckes wie folgt unterscheiden. Leicht/KKL* 1 18-21 mmHg, mittel/KKL* 2 23-32 mmHg, kräftig 34-46/KKL*3 mmHg und sehr kräftig/ KKL*4 mit 49 oder mehr mmHg. [5,6]

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Die vielfältigen Vorteile, die eine Kompressionstherapie bei richtiger Anwendung zur Behandlung des UCV bietet, zeigen, dass die bestehende Unterversorgung ein großes Problem für diese Patienten darstellt. Denn Kompressiontherapie führt meist zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität, weshalb sie als elementarer Bestandteil in die Therapie des UCV eingebaut werden sollte. [7]

 

*KKL = Kompressionsklasse

 

Referenzen

[1] Wege zur modernen Ulcus-cruris-Therapie 2017 https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/946063/kompression-wege-modernen-ulcus-cruris-therapie.html?sh=1&h=495670763, zuletzt aufgerufen am 26.02.2018

[2] Heyer, K., Protz, K. Erkrankungshäufigkeit und Versorgungssituation von Patienten mit Ulcus cruris in Deutschland – Entwicklung von Versorgungskonzepten - Kurzfassung.

[3] Sauer, K., Rothgang, H., Glaeske, G. Barmer GEK Heil- und Hilfsmittelreport 2014.

[4] Dissemond, J., Assenheimer, B., Bültemann, A. et al. Compression therapy in patients with venous leg ulcers. Journal of the German Society of Dermatology 2016;14(11): 1072-1087.

[5] Kiderlen, M. J. Kompression - Korrekte Anwendung. Der Allgemeinarzt 2014, 36 (4): 63-66.

[6] Wienert, V., Gerlach, G., Gallenkemper, B. et al. Leitlinie: Medizinischer Kompressionsstrumpf (MKS) – Version 15.10.2006.

[7] Dissemond, J., Protz, K., Assenheimer, B. et al. Informationsleitfaden für Fachpersonal – Kompressionstherapie bei Patienten mit Ulcus cruris venosum.

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