Dr. med. Lutz Stemler ist Diabetologe aus Leidenschaft. Zusammen mit seinem Team betreut er in seiner Ludwigshafener Praxis pro Woche 80 bis 100 Patienten mit Wunden – von der kleinen Läsion bis zu schwerwiegenden Defekten. Seine Erfolge führt der Kollege nicht nur auf medizinisches Wissen, sondern auch auf viel Einfühlungsvermögen zurück. Schmerzen stehen dem Heilungsprozess nur im Wege.
„Diabetologie umfasst für mich die komplette innere Medizin“, erzählt Dr. med. Lutz Stemler. „Mein Anspruch ist, Menschen ganzheitlich zu betreuen und nicht nur Wunden zu versorgen.“ Rund 70 Prozent seiner Patienten mit schlecht heilenden Wunden haben ein Diabetisches Fußsyndrom, 20 bis 25 Prozent haben ein Ulcus cruris und der Rest verteilt sich auf sonstige Läsionen. Stemler sieht nicht nur kleine Wunden, die medizinisch durchaus ernst zu nehmen sind, sondern auch schwerwiegende neurologische, ischämische oder biomechanische Veränderungen. Jeder Patient bringt neue Herausforderungen mit sich. Und oft gelingt es, das Ruder herumzureißen.
Weitere Amputationen verhindern
Stemler erinnert sich an Herrn Z., bei dem Chirurgen die vierte und fünfte Zehe amputiert hatten und die Sekundärheilung stagnierte. „Der Patient als auch wir wollten unbedingt vermeiden, dass er seinen Fuß verliert.“ Was tun? „Zu Beginn versuchten wir nach Möglichkeit, die Grunderkrankung positiv zu beeinflussen“, sagt der Experte. Tatsächlich gelang es einem hinzugezogenen Spezialisten, per Revaskularisation die Durchblutung zu verbessern. Anschließend konnte Stemler die Wunde stadiengerecht behandeln. Der Fuß war zu Beginn stark mit Biofilm überzogen. Bei jeder Sitzung wurden abgestorbene Gewebsanteile entfernt. „Sind Beläge oder Biofilm vorhanden, ist ein Debridement unbedingt erforderlich.“ Das Verfahren ist je nach Erkrankung und Methode mehr oder minder schmerzhaft.
Debridement ohne Qualen
„Wir haben beim diabetischen Fußsyndrom viele Menschen mit komplettem Sensibilitätsverlust“, erklärt Stemler. „Patienten mit ischämischen Fußsyndrom leiden oft an extrem starken Schmerzen.“ Angesichts dieser Unterschiede setzt er nicht nur auf chirurgische Verfahren zum Debridement. „In der Praxis versuchen wir, jede Lokalbehandlung möglichst wenig traumatisierend zu gestalten.“ Für Patienten sind Reinigungskompressen oder Pads oft deutlich angenehmer. Deren abgeschrägte Faserspitzen lösen Debris effektiv aus der Wunde und schonen intaktes Gewebe. Außerdem hat Stemler gute Erfolge mit Hydrogelen oder mit Fliegenlarven erzielt.
Schmerzen stören die Wundheilung
Auch bei der weiteren Behandlung ist die Analgesie von großer Bedeutung. Stemler: „Wenn Wunden weniger wehtun, heilen sie besser. Jeder erfahrene Behandler kann das bestätigen. Schmerzen stören die Wundheilung.“ Neben klassischen Verfahren wie der visuellen Analogskala zur Bewertung und der medikamentösen Schmerztherapie gemäß WHO-Stufenschema spielen Information, Dialog und Empathie eine große Rolle. „Wir schulen Patienten, ihre Schmerzmedikation in zeitlich idealem Abstand zu nehmen, bevor sie zu uns kommen. Auch beim Verbandwechsel und bei der Wundreinigung gehen wir möglichst schonend vor. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist das grundlegend.“ Seine Tipps enden nicht an der Praxistür. Auch das soziale Umfeld spielt eine wichtige Rolle. „Beschäftigung und Ablenkung sind essenziell“, weiß der Arzt. „Wer im Rahmen seiner Möglichkeiten am Leben aktiv teilnimmt, hat meist geringere Schmerzen.“ Sein Team aus Diabetesberaterinnen und Wundexpertinnen versucht deshalb, Angehörige aktiv in die Behandlung mit einzubeziehen.
Nach der Wunde ist vor der Wunde
Bei Herrn Z. gelang es Stemler, mit sanftem Debridement abgestorbene Gewebsanteile zu entfernen. Auch ein multiresistenter Keim musste eliminiert werden. „Das waren Türöffner, um den Heilungsprozess in Gang zu bringen“, erinnert sich der Experte. In diesem Zusammenhang setzt er – je nach Wunde – auch Auflagen mit Polyhexanid (PHMB) oder Silber ein. Eine Unterdrucktherapie hat den Heilungsprozess weiter unterstützt, bis es zum Übergang der Exsudations- in die Granulationsphase kam. Stemler: „Diese Wunde, mit der der Patient schon anderthalb Jahre gekämpft hatte, brachten wir innerhalb von neun Monaten zur Abheilung.“ Aktuell drohen keine weiteren Amputationen. „Aber natürlich ist nach der Wunde immer vor der Wunde: Unser Patient braucht jetzt eine strukturierte Nachsorge, eine gute Sekundärprävention im Sinne von Eigenpflege, professioneller Fußpflege und geeignetem Schuhwerk.“ Hinsichtlich der Therapietreue macht sich Stemler keine Sorgen: „Wer Erfolge sieht, beginnt wieder zu kämpfen und, es fällt ihm leichter, unsere Empfehlungen umzusetzen.“
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Bildquelle: Lohmann & Rauscher