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Erfolgreiche Wundversorgung bei Diabetes: Leitlinien decken vielleicht 80 Prozent des Spektrums ab

Service

Egal, ob Wundversorgung oder Medikation: Wissenschaftliche Leitlinien beantworten nicht alle Fragen der modernen Medizin. Diabetologen setzen auf die eigene Erfahrung – und auf Netzwerke mit Kollegen. Um den Erfolg zu beurteilen, dokumentieren sie ihre Resultate engmaschig.

Nach einer Minoramputation stand beim Typ 2-Diabetiker Klaus Z. (82) eine weitere Amputation an. Sein Vorfußstumpf nässte und hatte sich infiziert. Die Klinik kontaktierte gerade noch rechtzeitig Dr. Bernhard Zweigle. Er leitet eine internistische und allgemeinmedizinische Praxis mit diabetologischem Schwerpunkt im baden-württembergischen Aalen-Waldhausen. „Wir sind bei vielen Erkrankungen quasi die letzte Instanz“, sagt Dr. Zweigle. Zusammen mit seinem Team gelang es ihm, weitere OPs bei Z. zu verhindern. Der Experte setzt auf Fachwissen, auf ideale Materialien zur Wundversorgung – und auf klare Strukturen.

 

Dokumentation „ein Gewinn“ für die Praxis

Pro Woche stellen sich bei ihm etwa zehn bis zwölf Patienten vor, deren Wunden sich spürbar verschlechtert haben. Dazu gehören starke Exsudationen, Infektionen, Druckgeschwüre und Durchblutungsstörungen. Neue diabetologische Wunden seien immer als Notfälle zu betrachten und rasch zu begutachten, so Dr. Zweigle. Ansonsten warten Patienten schon mal mehrere Wochen auf einen Termin.

Zum Behandlungsbeginn erfassen Zweigles Teammitglieder strukturierte Informationen vom Überweiser und vom Patienten. Sie benötigen alles Wesentliche zur Erkrankung und zur bisherigen Therapie. „Klare Strukturen ersparen uns viel Ärger im Alltag“, weiß der Praxisinhaber. Am Dokumentationsaufwand stört sich niemand, ganz im Gegenteil: „Durch die systematische Erfassung lassen sich Heilungsverläufe oder Wundstadien besser erfassen“, ergänzt Manuela Zweigle. Die Wundexpertin und MFA unterstützt ihren Mann Bernhard Zweigle bei zahlreichen Aufgaben des Praxis- und Wundmanagements. „Wir sehen den Erfolg viel einfacher – und können auch Patienten vermitteln, welche Fortschritte sie machen.“ Dank der genauen Erfassung aller Schritte weiß jeder im Praxisteam, was zuletzt gemacht wurde und welche weiteren Maßnahmen anstehen. „Für uns ist die Dokumentation deshalb ein Gewinn“, fasst Manuela Zweigle zusammen.

 

Arzneimittel – unterschätzt oder überbewertet

In regelmäßigen Abständen erfasst Zweigles Team über den bundeseinheitlichen Medikationsplan alle Pharmaka. „Die Medikation bedingt auch den Heilungsverlauf von Wunden“, weiß Dr. Zweigle. „Erhalten Patienten aufgrund hämatologisch-onkologischer Erkrankungen etwa Präparate zur Immunsuppression, heilen Wunden schlechter. Interaktionen mancher Wirkstoffe kommen bei multimorbiden Menschen noch hinzu. 

Mitunter ist der Effekt deutlich schwächer als angenommen. Früher habe man oft gehört, eine Wunde würde nicht heilen, weil der Diabetes schlecht eingestellt sei, so der Praxisinhaber. „Heute wissen wir aus Studien, dass der HbA1c-Wert hier keine Rolle spielt, sondern vielmehr der Trias aus Infektion, Durchblutungsstörung und Druckbelastung.“ Natürlich profitieren Patienten vom normnah eingestellten Stoffwechsel, um das Risiko mikro- oder makrovaskulärer Komplikationen zu minimieren.

 

„Auch mal von der Leitlinie abweichen“

Liegen alle Daten eines neuen Patienten vor, versucht die Wundexpertin Manuela Zweigle, in behutsamen Gesprächen das Vertrauen bislang unbekannter Patienten zu gewinnen. Bei Erstuntersuchungen sieht sie die unterschiedlichsten Wunden – von zehn oder 15 Millimetern bei Zehen, bis zu 50 oder 60 Millimetern Durchmesser beim Charcot-Fuß.

In der Praxis orientiert sich jede Therapie an evidenzbasierten Kriterien. „Dabei ist eine Leitlinie immer hilfreich, um vielleicht 80 Prozent des Spektrums abzudecken“, schätzt Dr. Zweigle. Basis seien randomisierte, kontrollierte Studien unter „idealisierten Bedingungen“. Seine Erkenntnis: „Im Alltag sehen wir Menschen, die an mehreren Krankheiten leiden – und sind gezwungen, auch mal von der Leitlinie abzuweichen.“ Die Versorgung betagter und hochbetagter Menschen fände ebenfalls zu wenig Bedeutung. Drei zentrale Aspekte werden jedoch immer begutachtet, nämlich die Durchblutungssituation, die Druckbelastung und Infektionen.

 

Wenige Materialien – viel Überblick

Nach der Diagnostik und Therapie wählt Manuela Zweigle geeignete Materialien zur Wundversorgung aus. „Früher hatten wir nur einfachstes Material und Salben“, erinnert sich die Expertin. „Mit modernem Wundmanagement brauchen wir nur noch wenige Materialien.“

Sind Wunden infiziert, profitieren Patienten von PHMB oder Silber. Geht es um die längerfristige Versorgung, kommen PU-Schäume zum Einsatz. Und bei Druck muss die Wunde gepolstert werden. „Wir sind ja in der glücklichen Situation, dass uns viele Produkte zur Verfügung stehen“, sagt Manuela Zweigle. Sie informiert Pflegedienste via Verbandsplan über die optimale Versorgung. Sind alle Materialien vom gleichen Hersteller, kommen Pflegekräfte und Laien leichter mit der Versorgung zurecht.

Das ist auch ein großes Anliegen von Dr. Bernhard Zweigle: „Patienten müssen fast immer alleine in ihrem Umfeld mit der Erkrankung klarkommen.“ So war es auch bei Klaus Z. Seine Wunde heilte ab, und er kann sich wieder selbst versorgen.

 

Das Team der Praxis Zweigle in Waldhausen können Sie hier kennenlernen.

Weitere Informationen zur 3-Schritte-Wundtherapie mit L&R finden Sie hier.

 

Begriffserklärungen:

Diabetisches Fußsyndrom, Wundheilung, Wundheilungsstörung, Charcot-Fuß, Krallenzehe

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